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Freizeitfischer

Unwort des Jahres 2024 vorschlaege@unwortdesjahres.net.

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchte ich das harmlos und freundlich klingende Wort
Freizeitfischer
auf die Anklagebank setzen und es Ihnen als Unwort für das Jahr 2024 vorschlagen.

Auf den ersten Blick gehöre ich als Strandangler im Bereich Kiel zweifelsfrei zur Gruppe der „Freizeitfischer“, deren Mitgliedern es verboten ist, Dorsche aus der Ostsee zu entnehmen. Es gilt, den Dorschbestand zu erhalten. Das finde ich gut. Dieses Verbot wirkt auf mich genau vor meiner Haustür. Jeden Tag. Leider gibt es hier seit Jahren keinen Dorsch mehr, den ich fangen könnte.

Gerade hat der Rat der Europäischen Union (der Rat) die Verordnung mit den Regel­ungen zum Fischfangfür das Jahr 2025 bekannt gegeben. Sie wird in ein paar Wochen vollständig zu lesen sein. Der Begriff der „Freizeitfischerei“ wird dort ver­wendet.
Quelle: ttps://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/10/24/baltic-sea-council-agrees-catch-limits-for-2024/?utm_source=dsms-auto&utm_medium=email&utm_campaign=Baltic+Sea:+Council+agrees+catch+limits+for+2024

Wie in jedem Jahr, wird Anfang 2025 jeder „Freizeitfischer“ im In- und Ausland über alle privaten und staatlichen Medien und Kanäle auf die Einhaltung der dann gelten­den neuen gesetzlichen Regelung nachdrücklich aufmerksam gemacht werden.

Erstmals zum 1. Januar 2024 erscheint der Begriff der „Freizeitfischerei“ in einem Bundesgesetz. Die Bedeutung des Begriffs ist zweifelhaft. Damit fehlt der Regelung Klarheit und Wahrheit. Ich möchte zweifelsfrei erkennen können, ob mich eine Regel­ung betrifft. Oder nicht. Das ist mir wichtig. Der Begriff „Freizeitfischerei“ verhindert dies. Der Begriff ist sozusagen „aalglatt“.

Es könnte deshalb sein, das Mitglieder des Bundestages, die Anspruch auf voll­ständige Informationen haben, durch diesen Begriff sprachlich / begrifflich anhaltend so getäuscht wurden, dass sie nicht erkennen konnten, welche verschleiernde Be­deutung dieses Wort hat.

Die Entstehung des Begriffs „Freizeitfischer“ führt direkt nach Rostock, in das Thünen-Institut für Ostseefischerei (Institut OF Rostock). Dort wurde dieser Begriff auf hanebüchene Weise erschaffen (Seite 12).

Das Wort wird laufend in alle Bereiche der Gesellschaft, die Medien, in die Fischereiverbände und die Politik gegeben.

Es ist für mich zweifelhaft, ob alle Personen diesem Wort die selbe Bedeutung zumessen.

Das Europäische Parlament ist vorsichtig. Es meint:

Die Definition von „Freizeitfischerei“ ist gar nicht möglich

In seiner Entschließung vom 12. Juni 2018 zu dem Sachstand der „Freizeitfischerei“ in der Europäischen Union (2017/2120(INI)) stellt es fest:

„… G. dass es auf EU-Ebene keine vereinbarte, einheitliche und eindeutige Bestimmung des Begriffs „Freizeitfischerei“ gibt, und in der Erwägung, dass die „Freizeitfischerei“ deshalb nur schwerlich kontrolliert werden kann, kaum dies­bezügliche Daten erhoben werden können und ihre Auswirkungen auf die Fischbestände und auf die Umwelt sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung kaum bewertet werden können…“.
Quelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52018IP0243

Was auf EU-Ebene nicht eindeutig vereinbart werden kann, ist für den Deutschen Bundestag kein Problem. Jedes einzelne stimmberechtigte Mitglied des Deutschen Bundestages hat die Vorschrift, in der dieser Begriff vermeintlich klar definiert wird, ohne Bedenken zu haben, als korrekten Gesetzestext akzeptiert.

Der Begriff hat bei seinem erfolgreichen Wirken in vielen Bereichen der Gesellschaft nun auch einen prominenten Platz in einem Gesetz erobert. Das macht diesen Be­griff noch mächtiger.

In dem Gesetz zur Regelung der Seefischerei und zur Durchführung des Fischerei­rechts der Europäischen Union (SeeFischG) heißt es in § 1a Absatz 1a:

Freizeitfischerei übt aus, wer nicht erwerbsmäßig im Rahmen der Freizeitgestaltung Fische fängt.
Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/seefischg/__1a.html

Sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, liegt „Freizeitfischerei“ vor.

Dieses soziale Verhalten muss gerichtsfest festgestellt werden.

Wie kann das Verhalten: „nicht erwerbsmäßig im Rahmen der Freizeitgestaltung“ durch Beobachtung erkannt werden?

Ich bin Strandangler und Angel-Blogger. Damit ich zum Thema „Fische fangen“ bloggen kann, muss ich mit der Angel an den Strand. Dort bin ich nicht im Rahmen meiner Freizeitgestaltung sondern zur Beschaffung von Informationen. Nur so kann ich Beiträge für meinen Blog recherchieren. Ich habe dabei keine Gewinnerzielungsabsicht. Ich angle dabei auch, um mir durch Beobachtungen der Natur eigene Eindrücke von deren Zustand machen zu können. Manchmal erlaube ich mir sogar „teilnehmende Beobachtungen“. Mit meinem Verhalten übe ich als Strandangler und Blogger keine „Freizeit­fischerei“ im Sinne der Vorschrift aus, weil ich das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen der Freizeitgestaltung“ nicht erfülle. Ich fühle mich auf gar keinen Fall als „Freizeitfischer“.

Früher, als es noch Dorsche gab, bin ich als Strandangler gerne an den Strand gegangen und habe versucht, einen Dorsch zu fangen. Manchmal war es erfolgreich. Ich konnte dann einen Dorsch zur Bereicherung unseres Speisezettels mit in die Küche nehmen. Dies war immer ein kleines Fest und der gesamte Haushalt hatte daran Freude. Der Fisch war ein Geschenk der Natur. Die Zeit, die für den Fischfang erforderlich war, war keine Freizeit­gestaltung. Es war notwendige Zeit für die Nahrungsbeschaffung. Der Lohn meines Aufwands bestand manchmal in einem frischen Fisch. Diesen Fisch habe ich nicht als „Freizeitfischer“ gefangen.

Mir persönlich ist ein Angel Coach bekannt, der mit seinem Wissen über das Angeln den Lebensunterhalt der Familie verdient. Er hat eine Umsatz­steuer-ID und zweifelsfrei die Absicht, mit seiner Tätigkeit Gewinn zu erzielen. Seine spannenden Erlebnisse am Strand, im und auf dem Wasser lassen sich in Zeitschriften und Büchern lesen.

Wenn „Basti“ sich mit einer Gruppe von „Freizeitfischern“ in das Salzwasser stellt, gestaltet er dadurch auf keinen Fall angelnd seine Freizeit. Er verdient dabei das Familieneinkommen. Das ist der Grund für sein Angeln. Das Angeln ist für ihn Hilfsmittel, Nebenzweck. Damit ist „Basti“ kein „Freizeitfischer“ i.S. des Gesetzes, obwohl er angelt. Er ist Guide, Coach und Buchautor. Er angelt im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit. Er verkauft die gefangenen Fische nicht. Dies ist ihm verboten. Er ist kein Fischer. Er darf kein Netz verwenden. Das ist ihm als Angler verboten. Auch „Basti“ ist kein Freizeitfischer. Er übt keine Freizeitfischerei aus.

Das Tatbestandsmerkmal „Freizeit“ kann eher nicht durch eine einfache Beobachtung festgestellt werden. Das komplexe Verhalten „angeln im Rahmen der Freizeitge­stalt­ung“ halte ich als Tatbestandsmerkmal für vollkommen ungeeignet.

Der Innenminister des Landes NRW, Reul, formulierte einmal in einem ähnlichen Zu­sammenhang:

"...Ich sage Ihnen, ich habe keine Lust, meine Polizisten mit so einem Scheiß zu beschäftigen…“.
Quelle: "https://www.deutschlandfunk.de/drogen-und-suchtexperten-rufen-bundesrat-auf-das-cannabis-gesetz-nicht-zu-verzoegern-100.html"

Diese Regelung führt zu der Notwendigkeit, eine „Dorschpolizei“ aufbauen zu müssen, sie in einen einsatzbereiten Zustand zu versetzen und diesen Zustand für mindestens 1 Jahr zu erhalten. Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern, insbe­sondere zu Fragen der Finanzierung, sind dabei unvermeidlich.

Neben dieser gesetzlichen Definition der „Freizeitfischerei“ gibt es den

Freizeitfischer in der Alltagssprache

Die Mehrheit des Bundestages stimmte für die genannte Formulierung. Bedenken gab es wohl keine. Bei der Abstimmung wurde zweifelsfrei geglaubt, dass diese Regelung notwendig sei, um den Dorschbestand vor der Vernichtung durch die „Freizeit­fischer“ sicher zu schützen.

Sehr viele Menschen kennen das Wort „Freizeitfischer“ aus Kreuzworträtseln. Dort ist das Wort „Angler“ die einzige zulässige Lösung auf die Frage, welche Bedeutung das Wort „Freizeitfischer“ hat.

Viele Angler halten sich, ohne nur den geringsten Zweifel zu haben, für „Freizeit­fischer“. Sie werden bei jeder Gelegenheit durch Medien und Politik als solche be­zeichnet. Sie gehen in ihrer „Freizeit“ angeln. Diese Bedeutung der Bezeichnung wurde verinnerlicht. Dieser Begriff ist ein Teil von ihnen.

Dieses Wort wird in den Medien gerne verwendet. Unkritisch. Hier eine Formulierung des Landes Schleswig-Holstein auf einer einschlägigen Informationsseite für Angler zum Thema:

Die „Freizeitfischerei“ auf den Dorsch ist in der Ostsee ganzjährig verboten.

„… In der Ostsee ist damit das gezielte Angeln bzw. die gezielte Ausübung der Frei­zeitfischerei auf Dorsch im Jahr 2024 nicht zulässig. Zufällig beim Angeln oder Fischen auf andere Fischarten mitgefangene Dorsche sind unverzüglich schonend zurückzusetzen...“.
Quelle: https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/F/fischerei/dorsch

Im allgemeinen Sprachgebrauch steht die Bedeutung des Wortes „Freizeitfischer“ zweifelsfrei fest: „Freizeitfischer“ sind Angler. Isso. Nicht nur im Bundestag, auch im Bundesrat, es sind höchste Gremien unserer De­mokratie, wird dieses Wort regelmäßig mit der Bedeutung der Allgemeinsprache ver­wendet. Hier ein Redebeitrag aus dem Bundesrat:

„… Drittens. Wir wissen um die große Bedeutung der Freizeitfischerei für die Küstenregionen an der Ostsee. Sie ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für viele Gemeinden geworden – allerdings um den Preis, dass die Angler inzwischen etwa genauso viel Dorsch fangen wie die Berufsfischer. Deshalb führt aus unserer Sicht kein Weg daran vorbei, dass auch die Angler ihren Beitrag zum Wiederaufbau des Dorschbestandes leisten müssen… Die dadurch frei werdende Fangmenge könnte dann der Berufsfischerei zur Verfügung gestellt werden ...“.
Quelle: BUNDESRAT Stenografischer Bericht 948. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. September 2016, Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth, S..356 https://dserver.bundestag.de/brp/948.pdf

Dieser als Beispiel dienende Redebeitrag zeigt sehr schön, dass auch Personen in höchsten, verantwortlichen Positionen fest und zweifelsfrei glauben, ein Verbot der „Freizeitfischerei“ in der Ostsee würde den Dorschbestand vor dem Zugriff von Anglern schützen und damit den Zusammenbruch … der Fischerei vermeiden.

Die genaue Betrachtung zeigt, dass die Population der Dorsche durch das skizzierte Vorgehen gar nicht vor der Ausrottung durch die „Freizeitfischer“ geschützt werden soll. Es soll eine Umverteilung der erlaubten Fänge des Sektors „Freizeitfischer“ auf den Sektor „Berufsfischer“ vorgenommen werden. Dorsche gehören den Fischern!

Hier wird zart ersichtlich, dass ein politischer Wille vorhanden ist, der den Fischern ihr natürliches Recht an ihrem Dorschbestand in ihrer See erhalten möchte. Die Konkurrenz der „Fischer“, die „Freizeitfischer“, soll von der Nutzung des Be­standes der Dorsche am besten vollkommen ausgeschlossen werden.

Es wäre möglich, den Gesetzestext in verständlicher Alltagssprache zu formulieren:

Freizeitfischerei“ ist das Angeln nach Dorschen

An dieser einfachen Aussage kann ich als Nicht-Parlamentarier mit meinem Angler- und Allgemeinwissen ohne große Analyse auf den ersten Blick erkennen, dass eine solche Regulierung rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügen würde.

Mit dieser Wortwahl wäre es allen Anglern verboten nach Dorschen zu angeln. Im Vergleich zu dem Gesetzestext würde diese Wortwahl den Schutz der Dorsche ver­bessern und gleichzeitig eine einfache Feststellung des Sachverhaltes ermög­lichen.

Der Begriff „Angeln“ ermöglicht es mir sofort, Untergruppen von Anglern benennen zu können. Es gibt z.B. Karpfenangler. Diese Gruppe der Angler hat auf den Bestand der Dorsche keine Auswirkung. Dürfen diese Angler als „Freizeitfischer“ i.S.d. SeeFischG bezeichnet werden?

Der Einfluss jeder Untergruppe von Anglern auf den Dorschbestand wird durch die Verwendung des Begriffes „Freizeitfischerei“ bewusst verschleiert. Die Sichtbarkeit des Anteils an den Fängen einer Untergruppe auf den Dorschbestand und damit der Impact auf den Bestand wird unsichtbar gemacht.

Falls eine Untergruppe der Angler keinen Impact auf den Dorschbestand hat, aber in der Gruppe der „Freizeitfischer“ enthalten sein sollte, würden mehr Angler als nötig vom Fischfang ausgeschlossen werden. Das wäre unzulässig.

Dazu ein aktuelles Beispiel: Der Preis für ein privates Unternehmen, es handelt sich um die Lufthansa, dass eine Rechtsverletzung durch die unzulässige Einbeziehung einer Minderheit bei einer Gruppenbildung vorgenommen hat, beträgt 4 Millionen Dollar.

„,,,In der Begründung gab das Ministerium an, dass die deutsche Fluggesellschaft mehr Reisende als nötig von ihrem Weiterflug ausgeschlossen hat...“ .
Quelle:https://www.n-tv.de/panorama/US-Ministerium-verurteilt-Lufthansa-zu-Rekordstrafe-article25292906.html

Das Bundesministerium der Justiz formuliert folgende Anforderungen an staatliches Handeln:

„… Staatliches Handeln muss hiernach einem legitimen Zweck dienen. Es muss geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Es muss erforderlich sein, das heißt, der Staat muss unter mehreren gleich wirksamen Mitteln das mildeste Mittel wählen, wenn er in Freiheitsrechte eingreift. Das Handeln des Staates muss schließ­lich auch angemessen sein, eine staatliche Maßnahme darf also nicht außer Verhält­nis zu dem verfolgten Zweck stehen. ..“
Quelle: https://www.bmj.de/DE/rechtsstaat_kompakt/grundgesetz/rechtsstaatsprinzip/rechtsstaatsprinzip_node.html

Gesetzliche Regelungen müssen von Fakten getragen werden. Diese wurden vom Institut OF Rostock ermittelt. Es nimmt dazu eine Gruppenbildung für die „Freizeit­fischerei“ vor und begründet dies wie folgt:

„… Ab 2004 wurden alle Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, im Rahmen einer erneut durch die EU kofinanzierten Pilotstudie Fänge von Dorsch oder Kabeljau (Gadus morhua) durch die Freizeitfischerei in Nord- und Ostsee und den Gebieten nördlich, westlich und südlich der britischen Inseln (ICES-Untergebiete III, IV, V, VI und VII) zu erheben (EU-Regulierung No. 1581/2004, 7. Anhang XI der Kommission vom 27.08.2004)

Ziel dieser Pilotstudie ist die Erhebung der Fangmenge an Dorsch bzw. Kabeljau und die Bewertung des Einflusses dieser bislang unbekannten Entnahme auf die Bestandsberechnung. Die Kommission erwartet eine Empfehlung, ob die Fang­menge so bedeutend ist, dass sie in den wissenschaftlichen Berechnungen in Zukunft berücksichtigt werden muss...“.

Die Studie mit der Überschrift „Dorsch / Kabeljau-Fänge durch die deutsche Frei­zeitfischerei der Nord- und Ostsee, 2004 – 2006“ wurde durch das Institut OF Rostock durchgeführt.
Quelle: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dk039479.pdf

Hervorheben und unterstreichen möchte ich, dass die Kommission erfahren möchte, ob einer Untergruppe der „Freizeitfischer“ ein erheblicher, bedeutender Anteil an der gesamten Fangmenge der Dorsche zugerechnet werden kann.

Der Einfluss von Untergruppen der „Freizeitfischer“ auf den Dorschbestand

Elementar, also unveränderlich, hat das Institut OF Rostock die Untergruppen der „Freizeitfischer“ ermittelt und benannt. Es nimmt eine Gruppenbildung der am Dorschfang beteiligten Freizeitangelfischer, Sportangler, Angelfischer, Hobbyfischer, maritime Freizeitfischer, Freizeitlachsfischer usw. usw. und Anglern nicht nach deren Bezeichnungen vor, sondern blickt auf die Angelmethoden (2.3 Angelmethoden für die Zielfischart Dorsch S. 10f).
Quelle: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dk039479.pdf

Der Anteil der Untergruppen am Gesamtfang der Dorsche kann dort aus Tabelle 3.35, S.50, komfortabel ersehen werden.

Dort wurden einerseits Wat- und Brandungsangler (landbasierter Fischfang) und andererseits Bootsangler (Boot- / Kutter- / Trollingangler, seebasierter Fischfang) als Gruppen der „Freizeitfischer“ identifiziert. Strandangler sind wohl, nur wenig un­ge­nau, in der Gruppe der Watangler enthalten.

Die Menge der Dorsche, die durch die Gruppe der Bootsangler aus dem Dorschbe­stand entnommen wurde (bis zu 10 Dorsche pro Tag), ist etwa 100 x größer als die Menge der Dorsche, die Watangler dem Dorsch­bestand entnommen haben (etwa 0,1 Dorsche pro Tag). Ich schätze die Zahl der Dorsche, die ich früher als Strandangler fangen und entnehmen konnte, auf etwa 0,01 Dorsche / Angeltag. Eher weniger.

Diese Zahlen zeigen, dass die Fänge durch die Gruppe der Strandangler keine er­heblichen Auswirk­ungen auf den Dorschbestand haben. Die Berücksichtigung der Mengen von Dorschen, die mit landbasierten Methoden gefangen wurden, spielt für die Fischereipolitik der EU sicher keine Rolle.

Der Internationale Rat für Meeresforschung, ICES, stellt fest „… The … catches are mainly taken by private and charter boats and to a small degree by land-based fishing methods…“.
Quelle: ICES. 2024. BALTIC FISHERIES ASSESSMENT WORKING GROUP (WGBFAS).ICES Scientific Reports. 5:58. 606 pp. 2.3.1.3 Recreational catches, Seite 116, ganz unten
https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066388.pdf

Durch die Verwendung des Begriffs „Freizeitfischerei“ in der gesetzliche Regelung kommt es zu einer vollkommen unzutreffenden rechtlichen Behandlung der Gruppe der Strandangler.

Freizeitfischerei ist das Angeln nach Dorschen vom Boot

Dies meint auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN), Sitz in Bonn: Das BfN ist eine Bundesbehörde des Umweltministeriums. Sie gehört zur Exekutive. Wie die Polizei. Diese Behörde ist genau darüber informiert, wie die Rechtslage ist. Das BfN be­schreibt klar und präzise, was „Freizeitfischerei“ nach der EU-Verordnung ist:

„… Die Freizeitfischerei in den Gewässern der deutschen AWZ wird entweder von Angelkuttern oder von kleineren Booten aus praktiziert. Die Angelkutter können aufgrund ihrer Größe auch küstenferne Gebiete in der AWZ und auch die dort ausgewiesenen Schutzgebiete aufsuchen…“.
Quelle: https://www.bfn.de/freizeitfischerei

Diese Ansicht des BfN, dass es sich bei der „Freizeitfischerei“ im Sinne der EU-Verordnung um das Angeln von Booten und Kuttern handelt, ergibt sich auch aus einer Pressemitteilung des Rates, dem originären Gesetzgeber des geltenden Rechts, vom 24 Oktober 2023 10:26, mit der Überschrift:

Ostsee: Rat vereinbart Fangbeschränkungen für 2024

„… hat der Rat sich auf spezifische Maßnahmen geeinigt. Dazu gehört, dass in der Lachs-Freizeitfischerei … pro Fischer pro Tag an Bord behalten werden darf – nach dem Fang des ersten Exemplars müssen Freizeitfischer die Fischerei auf Lachs für den Rest des Tages einstellen; die Freizeitfischerei auf Dorsch in den Unterdivisionen 22-26 untersagt wird.
Quelle: Pressemitteilung des Rates, Einigung im Einzelnen, ohne Seitenangabe, etwa Mitte des Dokumentes https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/10/24/baltic-sea-council-agrees-catch-limits-for-2024/?utm_source=dsms-auto&utm_medium=email&utm_campaign=Baltic+Sea:+Council+agrees+catch+limits+for+2024

Der Gebrauch der Worte „an Bord behalten“ belegt die Vorstellung des Rates, was er unter „Freizeitfischerei“ versteht: Es handelt sich um das Angeln vom Boot.

Hinweisen möchte ich darauf, dass ein in einer Vorschrift verwendeter Begriff in der gesamten Vorschrift immer einheitlich gilt.

Durch diese EU-Verordnung ist in den ICES Gebieten 22 – 26, das ist etwa der Bereich von Flensburg bis Rostock, der Fang von Dorschen vom Boot untersagt.

Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist zu beachten

Der Anwendungsbereich der EU-Verordnung ergibt sich aus Artikel 2 der Verord­nung: (1) Diese Verordnung gilt für Fischereifahrzeuge der Union, die in der Ostsee fischen. (2) Diese Verordnung gilt auch für die Freizeitfischerei, wenn sie in den einschlägigen Bestimmungen ausdrücklich genannt ist.
Quelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32023R2638

Ein Verbot des Angelns von einem Strand wird hier nicht ausgesprochen. Es geht um die Fischerei auf dem Wasser. Dies schließt die „Freizeitfischerei“ ein.

Der Anwendungsbereich des SeeFischG reicht für Seefischer, von See kommend, bis zu einer definierten Strandlinie bei einem definierten Wasserstand am Ufer. Auch die ICES Gebiete enden an dieser Linie. Der Begriff der „Freizeitfischerei“ gilt in diesem Wasserbereich. Nicht am Strand.

Aber, niemand würde doch auf die Idee kommen, die Regelungen des SeeFischG oder der EU-Verordnung auf einen Strandangler anzuwenden, der sich gar nicht im Anwendungsbereich der Vorschriften befindet. Oder doch?

Die Medien, die ich überprüft habe, haben alle die selbe Botschaft für Strandangler: Das Angeln nach Dorsch in der Ostsee ist verboten. BASTA. Daran dürfen keine Zweifel aufkommen.

Ich habe keine Zweifel daran, dass ich vom Strand aus nach einem Dorsch angeln dürfte. Vielleicht werde ich falsch informiert?

Als Strandangler befinde ich mich auf dem Festland. Nicht auf See. Ich bin auch kein Fischereifahrzeug der EU. Ich befinde mich auf dem Hoheitsgebiet des Landes Schleswig-Holstein. Die für mich relevanten Rechtsquellen kenne ich. Nach diesen ist mir das Angeln nach Dorschen vom Strand aus nicht verboten.

Ein Angeln vom Strand beginnt immer damit, dass ein Köder, der sich an einer dünnen Schnur befindet, mit Hilfe einer Angelrute ausgeworfen wird. Der Start des Wurfes erfolgt vom Hoheitsgebiet des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Der Köder fliegt über die Strandgrenze in das ICES Gebiet 22. Dort taucht er in das Salzwasser ein. Falls beim Einkurbeln des Köders ein Dorsch beißen sollte, was nicht zu er­warten ist, könnte das Recht des Landes Schleswig-Holstein deshalb gelten, weil der Angelvorgang in dessen Hoheitsgebiet zulässig begonnen wurde.

Sollte für mich eine Verpflichtung bestehen, nach der ein beim Angeln zufällig ge­fangener Dorsch sofort lebend in das Wasser zurückgesetzt werden müsste, wäre der Dorsch zu diesem Zweck zunächst auf das Hoheitsgebiet des Landes Schleswig-Holstein zu bringen. Anders wäre das Zurücksetzen des Dorschs kaum möglich.

Nach diesem sog. stranden des Dorschs würde das Gebot des EU-Rechts am Strand nicht auf mich wirken. Ein Gebot zum „zurück schmeißen“ des Dorsches wird zwar für Bootsangler auf See verordnet, aber nicht für Strandangler.

Hier könnte ein Unterschied in der Bedeutung des Begriffes zwischen der EU-Ver­ordnung und dem umgangssprachlichen Begriff „Freizeitfischerei“ dafür genutzt werden, ein umfassendes Angelverbot für alle Angler auszusprechen.

Ich habe für mich eine Antwort darauf, wie ich mich bei einem absoluten Zufallsfang eines! Dorsches vom Strand verhalten müsste, gefunden. Ich nutze dazu auch die Wissenschaftliche Information des Thünen Instituts vom 24.10.2023:

„… Die Fischerei spielt für die weitere Entwicklung des Dorschbestandes keine nennenswerte Rolle mehr – egal, ob die Fangmengen 100, 300 oder 500 Tonnen betragen. …“.
Quelle: https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/ostseefischerei/service/detail/fangmengen-fuer-die-ostsee-situation-bleibt-2024-angespannt letzter Absatz, Satz 3

Danach wäre es für den Dorschbestand unerheblich, dass dieser eine Dorsch ent­nommen würde. Dessen Entnahme hätte keinen Einfluss auf die Bestands­ent­wick­lung.

Mein Bundesfischereiminister Cem Özdemir lässt mich folgendes wissen:

Pressemitteilung Nr.. 126/2023, Auch 2024 wird herausfordernd für die Ostseefischerei, Bundesministeriumsfür Ernährung und Landwirtschaft, vom 24.10.2023:

“...Gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten hat Deutschland sich dafür eingesetzt, dass die Freizeitfischerei auf Dorsch wieder möglich werden soll, sobald die wissen­schaftlichen Fangmengenempfehlungen dies zulassen…“.
Quelle: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/126-fangquoten-ostsee.html

Beide Mitteilungen stammen vom selben Tag. Die Aussage ist klar: Danach wäre aus wissenschaftlicher Sicht ein Dorschschutz nicht mehr erforderlich. Politisch wird dieser Empfehlung uneingeschränkt gefolgt.

Bei diesen Pressemeldungen könnte es sich um Placebomeldungen zur Beruhigung der „Freizeitfischer“ handeln. Das Verfassen und die Veröffentlichung solcher Artikel gehört zur Pflege und Aufzucht des Wortes „Freizeitfischer“.

Für das Jahr 2025 wird für die „Freizeitfischerei“ folgende Regelung gelten: „… Um einen Beitrag zur Verbesserung der Lage dieser Bestände zu leisten, stimmte der Rat dem Vorschlag der Kommission zu, die Freizeitfischerei auf Dorsch im gesamten Gebiet zu verbieten, wobei Beifängen Rechnung getragen wird…“.
Quelle: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/10/22/baltic-sea-council-agrees-on-catch-limits-for-2025/

Ja aber, wenn Strandangler gar keinen Einfluss auf den Dorschbestand haben, nur Bootsangler gemeint sind, das EU-Recht für Angler auf dem Strand gar nicht gilt und nicht einmal Fischer einen Einfluss auf den Dorschbestand haben und sogar 500 Tonnen Dorsche ohne Gefahr für den Bestand daraus entnehmen dürften, warum müssen Strandangler einen einzelnen, sehr selten zu fangenden Dorsch, zurück setzen? Gleichzeitig ist doch der Fang von Dorschen z.B. im Nord-Ostsee Kanal, der ohne sichtbare Grenze direkt in die Ostsee „mündet“, erlaubt.

Diese Frage ist einfach zu beantworten. Zunächst sollen die Angler vor einer persön­lichen Insolvenz bewahrt werden. Das Landesgesetz in Schleswig-Holstein verbietet es nicht, nach Dorschen vom Strand aus zu angeln. Trotzdem kann ein Bußgeld bis zu 25.000€ festgesetzt werden, wenn gegen die EU-Verordnung verstoßen wird.

Es soll sich nach § 23 (3) Nr.1 Küstenfischereiverordnung des Landes Schleswig-Holstein um eine Ordnungswidrigkeit handeln, wenn im Rahmen der „Freizeitfischerei“ im Jahr 2024 unabsichtlich gefangene Dorsche behalten werden.
Quelle: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/jlr-K%C3%BCFischVSH2019V6P23

Für das Jahr 2025 gilt dies weiter:

Quelle: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/jlr-K%C3%BCFischVSH2019V7P23

Auf diese Vorschriften ist Verlass. Sie wurde von sachkundigen Menschen ernsthaft durchdacht und formuliert. Ohne Zweifel wurde „Korrektur gelesen“. Alle an dem Formulieren dieser Vorschrift beteiligten Personen könnten wissen, was „Freizeit­fischerei“ im Sinne der EU-Verordnung, des SeeFischG und nach der Definition des BfN ist. Die Bedeutung des Wortes in der Umgangssprache ist ebenfalls bekannt. Über die Wirkung von Fängen der Strandangler auf den Dorschbestand könnten die Kenner der Materie informiert sein.

Auf die besondere Problematik, dass die Bedeutung des Begriffs „Freizeit­fischerei“ in der EU-Verordnung eine andere sein könnte, als die, die hier für einen Strand­angler in Schleswig-Holstein in dem Begriff „Freizeitfischerei“ gesehen wird, müsste in einem Verfahren hingewiesen werden.

Wenn das alles nichts nützt, könnte die Trumpfkarte gezogen werden: Damit über­haupt eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, verlangt die Vorschrift das Behalten von mehr als einem Dorsch. So zeigt es die Goldwaage an, mit dem der Text der Vorschrift gewogen wurde. Eine solche Regelung wäre angemessen, finde ich. Ob sich das Wort „Dorsche“ statt des Wortes „Dorsch“ im Jahr 2025 nach dieser Darstellung in der neuen Verordnung für das Jahr 2025 noch finden lassen wird?

Ach ja, mit „Freizeitfischer“ sind Bootsangler gemeint. Das hatte ich für einen Moment vergessen.

Für das Zurücksetzen eines Dorsches ist die Sprache allerdings viel wichtiger als die Strafe. Jeder Angler erkennt geschützte Arten, kennt das einzuhaltende Mindest- und Höchstmaß und die Vorschriften des Angelgewässers. Alle Angler kennen die Dorsch Problematik: Bei der Erhaltung dieser Fischart wird gerne mitgemacht. Dazu wird auch individuelle Verantwortung übernommen und auch freiwillig auf das Angeln nach einem Dorsch verzichtet.

Dieses Verhalten beruht auf dem Vertrauen in das Wissen, das in der Ausbildung zum Angler vermittelt wurde.

Ein Ziel von Wissenschaft ist es, Wirklichkeit zu „erhellen“. Das Uni Klinikum Schles­wig-Holstein formuliert einfach: „Wissen schafft Gesundheit“. Wenn Wirklichkeit ver­schleiert werden soll, könnte dabei auf wissenschaftliche Methoden, z.B. auf wirk­same Methoden aus der Verhaltensforschung, zurück­gegriffen werden. Eine dieser Methoden ist das Nudging.

„… Nudging“ zielt darauf ab, Menschen durch indirekte, bewusst gesetzte Anreize zu einem gewünschten Verhalten zu bewegen. Dabei erfolgt die Beeinflussung der Personen ohne dass es diesen bewusst ist. Derartige Ansätze werden aufgrund der Manipulation durchaus kontrovers diskutiert, bei der Beeinflussung umweltgerechten Verhaltens aber erfolgreich eingesetzt...“
Quelle: Lewin, W.-C., Weltersbach, S., Denfeld, G. und Stehlow, H. (2019) Bedeutung und Bewertung von Meeresmüll aus der marinen Freizeitfischerei und Maßnahmen zur Vermeidung. Thünen Institut für Ostseefischerei (TI-OF), Rostock, in Kooperation mit dem Deutschen Angelfischerverband e.V. .Bericht erstellt im Auftrag des NLWKN und des LUNG M-V. Exkurs: Nuding, S. 81 https://www.thuenen.de/media/institute/of/Projekte/Meeresmuell/Bedeutung_und_Bewertung_von_Meeresmu__ll_aus_der_marinen_Freizeitfischerei_und_Massnahmen_zur_Vermeidung_Endbericht.pdf

Bei dem Einpflanzen des Wortes „Freizeitfischerei“ in das SeeFischG könnte es sich um das gezielte Setzen eines solchen Reizes gehandelt haben.

Ein wissenschaftlich arbeitendes staatliches Institut der Fischereiwissenschaft würde die Methode des Nuding doch nicht wirklich anwenden, oder?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich konnte aber herausfinden, wie der Begriff „Freizeitfischer“ das Licht der Welt erblickt hat. Dies wurde sorgfältig be­schrieben.

Die beiden Keimzellen und die Geburt des Wortes „Freizeitfischer“

Die Keimzellen für das Wort „Freizeitfischer“ sind nicht etwa die Einzelworte „Freizeit“ und „Fischer“. Die Keimzellen des Wortes „Freizeitfischer“ sind die Begriffe „Angler“ und „Nebenerwerbsfischer“.

Bereits in Kitas können Kinder die Begriffe Angler und Fischer sicher unterscheiden. Dies geschieht anhand der Fanggeräte zum Fischfang: Angler nutzen ausschließlich Angelruten. Fischer nutzen Netze u.a. Geräte zum Fischfang.

Diese Begriffe sind invariant und deshalb für die Verwendung als Begriff in einer Wissenschaft und einer Kita bestens geeignet.

In Dänemark wird ein Freitzeitfischer anhand der Geräte zum Fischfang definiert. „…Wenn Sie mit Netzen, Reusen oder ähnlichem Fanggerät fischen, dann sind Sie Freizeitangler - und benötigen einen Freizeitangelschein…“.
Quelle: https://fisketegn.dk/de

Das Institut OF Rostock hat mit seiner interdisziplinären Expertise unter Anwendung bewährter Methoden der Alchemie erfolgreich die Säuberung der Begriffe „Angler“ und „Nebenerwerbsfischer“ durchgeführt, um sie keimfähig zu machen.

Die Einzelheiten ergeben sich aus einer Studie des Instituts OF Rostock.
Quelle: Weltersbach MS, Riepe C, Lewin W-C, Strehlow HV (2021), Ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen des Meeresangelns in Deutschland. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 254 p, Thünen Rep 83, DOI:10.3220/REP1611578297000, Seite 30 https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_83.pdf

Darin wird festgestellt und dokumentiert, dass es Anglern erlaubt ist, beim Fischfang Netze zu verwenden. Die Feststellung, dass Angler Netze benutzen dürfen, ist für alle Angler sicherüberraschend. Alle Angler wissen, das ihnen die Verwendung von Netzen verboten ist. Die Verwendung von Netzen zum Fischfang ist Fischern vorbe­halten.

Diese Behauptung des Instituts OF Rostock stimmt weder mit der Rechtslage noch mit der Wirklichkeit überein. Diese Behauptung ist falsch und damit unzulässig.

Bei dem entdeckten Netz handelt es sich um eine Köderfischsenke, die vom Institut OF Rostock als Netz bezeichnet wird. Würde es sich um ein Netz handeln, hätte dieses Hilfsmittel nicht den Namen Köderfischsenke. Es hätte den Namen Netz.

Köderfischsenken bestehen aus einem sehr feinmaschigen Gewebe. Damit kann versucht werden, durch ein vorsichtiges Heben und Senken des Gerätes mit der Hand, kleinste Fische in cm-Länge, aus dem Wasser zu heben.

Es handelt sich um ein Hilfsmittel zur Vorbereitung auf ein Angeln nach Speise­fischen. Mit einer Köderfischsenke ist es unmöglich, direkt einen Speisefisch zu fangen. Würde das feine Gewebe einer Köderfischsenke in maximal gesetzlich erlaubter Größe gefaltet werden, würde sich daraus vielleicht gerade noch ein „Fang­netz“ formen lassen, das vielleicht gerade noch zum Bau eines Kinder­keschers ausreichen würde.

Würde an ein so umgeformtes Gewebe irgendwie ein Stiel angebracht werden, könnte dieses neue Gerät zum Fischfang in Geschäften von Seebädern für 6,50€ als Kinderspiel­zeug zum Kauf angeboten werden. Damit könnten Wasserflöhe oder Garnelen ge­fangen werden, was Kinder im Sommer im Ostseewasser gerne machen.

Eine Köderfischsenke kann nicht wie eine Ringwade einen Fischschwarm in seiner Gesamtheit aus dem Wasser heben. Eine Köderfischsenke hat keinen Einfluss auf irgendeinen Fischbestand. Sie hat keinerlei Gemeinsamkeit mit einem Netz, dass von Fischern zum Fischfang genutzt wird.

Durch diese Behauptung werden Angler unzulässig mit einem Netz in Verbindung ge­bracht. Diese falsche Verbindung ist für die Fischereiwissenschaft des Instituts OF Rostock ausreichend, um den nächsten Schritt zu machen:

Ausgestattet mit dem Recht zur Benutzung eines Netzes ist ein Angler nun irgendwie kein „reinrassiger“ Angler mehr, sondern, irgendwie auch ein Fischer. Der Angler ist aber auch kein „reinrassiger“ Fischer, weil der Fang nicht verkauf werden darf. Das ist streng verboten.

Hier wird mit der Brechstange der Begriff des „Angelfischers“ zurecht­geblogen [sic!].. Dies ist die erste Keimzelle des Wortes „Freizeitfischer“.

Über diesen interessanten Vorgang wurde in der Welt- und Fachpresse bisher nicht berichtet. Dieser sehr ernste Vorgang könnte im ersten Moment für Erheiterung sorgen. Aber nur im ersten Moment.

Hier liegt eine unzulässige aber beabsichtige Umdeutung von Begriffen und von Tatsachen vor. Es kann sich nicht um ein Versehen handeln. Der Wortbild­ungs­vorgang entspringt einer Absicht, er erfordert eine Planung und er ist komplex. Dahinter steht ein nicht benanntes Ziel, eine geheime Absicht, die ich nicht erkennen kann. Die Formel ist einfach: Angler + Netz = „Angelfischer“.

Zur Erschaffung der zweitenKeimzelle des Begriffes „Freizeitfischer“ wird die Gruppe der Fischer nun um die Gruppe der Nebenerwerbsfischer alchemistisch gesäubert. In der realen Welt ändert sich nichts. Nebenerwerbsfischer nutzen weiter die selben Fanggeräte wie Fischer und üben ihre Tätigkeit weiter selbständig aus, um durch den Verkauf des Fangs ein Nebeneinkommen zu erzielen.

Das Teilwort „Nebenerwerb“ wird entfernt und durch das Wort „Hobby“ ersetzt. Nun ist nicht mehr zu erkennen, dass Nebenerwerbsfischer ihre Tätigkeit ausüben, um Einnahmen zu erzielen. Das Wort „Hobby“ weist nun auf eine eherbedeutungslose, wirt­schaftliche Tätigkeit dieser Fischer hin.

„Das Finanzamt“ lässt sich von solchen Bezeichnungen nicht täuschen. Dort wird eine wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen. Ein Hobby, ertragsteuerlich Lieb­haberei genannt, kann zu einer Unternehmer­eigen­schaft führen: Indizien sind z.B. die Aus­führung von mehr als einem Umsatz, mehrfache Vornahme gleichartiger Hand­lungen, die Absicht, Einnahmen zu erzielen.

Sofern eine selbständigeTätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausgeführt und die Arbeit aus eigener Entschließung aufge­nommen wird, kann es sich nur um eine Tätigkeit handeln, die nicht im Rahmen einer Freizeitgestaltung oder eines Hobbys ausgeführt wird. Ein Nebenerwerbsfischer darf deshalb nicht als Hobby­fischer oder Freizeitfischer bezeichnet werden. Eine solcher Name führt zu einer falschen Benennung und Bedeutung eines Sachverhalts der Wirklichkeit. Ob dies im Rahmen einer Wissen­schaft zulässig ist?

Eine Brechstange ist stabil. Das Wort „Hobbyfischer“ ist nun zur Verwendung im Schöpfungsakt des Wortes „Freizeitfischer“ bereit:

„Angelfischer“ + „Hobbyfischer“ = „Freizeitfischer“.

Würde dieser Logik des Instituts OF Rostock gefolgt werden, dürften Angler gleich­zeitig als „Krabbenfischer“ und als „Freizeitfischer“ bezeichnet werden. Beide Begriffe wären logisch wahr. „Krabbenfischer“ sind „Freizeitfischer“. Anglern ist es er­laubt, eine Schiebehame zu benutzen. Damit wird ein kleines Netz an einem Stil beim Gehen durch den Schlick ge­schoben. So wird versucht, Krabben zu fangen. Aus meiner Sicht verlässt die Sprache der Fischereiwissenschaft des Instituts OF Rostock hier noch weiter den Bereich der Wissenschaft. Klarheit und Wahrheit der Bedeutung von Begriffen werden bewusst zerstört. Die Bildung des Wortes „Freizeit­fischer“ erfolgt in fragwürdiger Art und Weise. Der kausale Zusammenhang zwischen einer Angel und deren Wirkung auf einen Fischbestand geht durch diese Wortschöpf­ung verloren. Dieser unmittelbare Wirkzusamnmenhang wird durch das Bild eines „Frei­zeitfischers“ aufgehoben.

Der Fokus der sog. Fischereiwissenschaft liegt nicht mehr auf einer nachhaltigen Fischerei, sondern in der Schaffung von Wortspielen.

Wenn Be­griffe das Denken (mit) bestimmen, dann wird hier der klare Blick auf die Wirklichkeit durch die selbst geschaffenen Wortschöpfungen zumindest sehr er­schwert. Mich wundert es nun nicht mehr, dass der Dorsch unter Aufsicht ausstirbt.

Das Wort „Angler“ wird vom Institut OF Rostock nur noch versehentlich benutzt. Ich kann eine Ähnlichkeit zu dem Gebrauch des Namens „Lord Voldemort“ in den Harry Potter Romanen erkennen: Dieser Name ist verflucht und darf nie genannt werden.

Möglicherweise könnte im selben Moment der Entstehung des Begriffs „Freizeit­fischer“ der Begriff des „Berufsfischers“ entstanden sein.

Ich erlaube mir hier, diese Gleichzeitigkeit der Ereignisse als den „Doppel-Wumms in der Fischereiwissenschaft“ zu bezeichnen. Vielleicht ist mit diesem Doppel-Wumms zusätzlich ein Unwort des Jahres ent­standen?

Der Begriff „Berufsfischer“ ist nicht ganz einwandfrei. Er könnte um das Teilwort „Berufs“ gereinigt werden. Obwohl, „Beruf“ ist als Gegensatz zu „Freizeit“ in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem Urproduktion betrieben wird, sprachlich und politisch sicher sehr gut nutz­bar.

Im ländlichen Raum gilt: „Beruf geht vor Freizeit.“ Manchmal müssen deshalb sogar Freizeit - Liga­spiele abgesagt werden, weil die Natur es erfordert (z.B. plötzliche Ernte bei Wetter­wechsel). Der Punktverlust wird klaglos hingenommen.

Für die Stimmung in der Gruppe der Fischer könnte es förderlich sein, wenn es nur ein Mitglied in der Gruppe gäbe. Wäre dann Schluss mit Neid und Missgunst unter Fischern?

Sie sind uns ein Dorn im Auge, weil die uns ja doch sehr einschränken in unserem Berufszweig, beispielsweise Plätze wegnehmen. Und uns stört auch, dass die am Wochenende ihre Fische verkaufen, während wir eigentlich auch davon leben sollten am Wochenende…“
https://www.deutschlandfunk.de/neid-und-missgunst-unter-fischern-100.html

Mit dem „Dorn im Auge“ der Fischer sind die Nebenerwerbsfischer gemeint. Der Artikel beschreibt, um was es hier geht:

Vielleicht werden Urängste der Fischer berührt. Sie fürchten, dass ihnen der Zugriff auf ihre Fischgründe durch „Freizeit­schmarotzer“ oder „Möchtegernfischer“ wegge­nommen werden könnte. Die Gruppe der Angler kann nun mit den Nebenerwerbsfischern zusammen zu den Schädlingen und Parasiten gerechnet werden. Sie ent­nehmen dem Dorschbestand eine solche Menge von Dorschen, wie sie alle Fischer zusammen fangen. Diese Fangmenge wird behauptet. Auch im Bundesrat (siehe Seite 4).

In der Fischereiwissenschaft ist mit der Schaffung des Begriffs „Freizeitfischer“ und „Berufsfischer“ eine neue, politische Begriffswelt entstanden, die im Verteilungs­kampf um die letzten Dorsche der westlichen Ostsee eine Rolle spielt.

Diese Begriffe müssen gepflegt und erhalten werden, was Zeit und Kraft kostet. Diese Überforderung könnte, zusätzlich zu dem getrübten Blick auf die Fischbestände, da­zu geführt haben, den Zusammenbruch des Dorsch­bestandes nicht mehr frühzeitig erkennen zu können.

In der internationalen Meereswissenschaft spielt es für einen Fischbestand keine Rolle, ob aus ihm durch einen Haken oder ein Netz, beruflich oder in der Freizeit, Fische entnommen werden. Wichtig ist, dass mehr Fische nachwachsen können als entnommen werden.

Dort wird mit korrekten wissenschaftlichen Begriffen gearbeitet, das Meer wird nicht als „ideales Testlabor“ gesehen sondern als die Umwelt, in der wir leben. Auf sie ist der Fokus gerichtet. Es wird gefragt, ob für einen Fischbestand möglicher­weise die Über­schreit­ung eines Kipppunktes droht und dadurch dieser Bestand plötzlich sehr ge­fährdet sein könnte. Die Universität Hamburg (als ein Beispiel von vielen, Kiel möchte ich (gerne) als Standort für sehr gute Forschung erwähnen) hat bereits vor Jahren erkannt und benannt, dass der Dorsch­bestand in der westlichen Ostsee den Kipppunkt über­schritten hat, was eine „… Rückkehr zur alten Größe [des Bestandes, d. Verf.] schwierig macht..." .
Quelle:
https://www.cen.uni-hamburg.de/about-cen/news/10-news-2021/2021-08-17-dorsch-kipppunkt.html

Die am anderen Ende der Welt angesiedelte australische University of Tasmania hat bemerkt, dass die Fischereiwissenschaft die Politik seit Jahren falsch beraten hat.

Trotz der geografisch großen Entfernung ist es den „Augen und Ohren“ der dortigen Meeres­wissenschaft möglich gewesen, genau auf den Dorschbestand der westlichen Ost­see zu blicken. Für diesen Dorschbestand wurde die schreckliche Diagnose ge­stellt: Jahrelange Überfischung hat zum Zusammenbruch des Dorschbestandes geführt.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/fischbestaende-staerker-bedroht-als-gedacht-102.html

Meine Angelkollegen, auch die wenigen Angelkolleginnen, bemerken seit Jahren, dass sich hier vor unserer Haustür keine maßigen Dorsche mehr fangen lassen. Das Artensterben, das Wort „Freizeitfischerei“ ist daran beteiligt, ist vor meiner Haustür sichtbar. Ich kann das Artensterben in Zeitlupe beobachten.

Der Begriff der Freizeitfischerei“ könnte künftig genutzt werden, um das Aussterben der Dorsche zu verharmlosen oder zu verschleiern. Ich bin kein Institut. aber eine Pressemeldung mit dem folgenden Inhalt könnte ich mir sehr gut vorstellen:

--→> Achtung: Konstruierte Schlagzeile Anfang: Freizeitfischer dürfen ab sofort vom Strand täglich höchstens 1 Dorsch mit einer Handangel fangen und entnehmen. Das Mindestmaß beträgt 50cm.“ <←-- Ende der konstruierten Schlagzeile

Eine solche Regelung hätte keine Auswirkung auf den Dorschbestand. Es wäre eine Erfolgsmeldung für Politik und Fischereiwissenschaft. Diese Erlaubnis würde signali­sieren, dass wieder genügend Dorsche vorhanden sein müssen, wenn sogar „Frei­zeitfischer“, zusätzlich zu den „Berufsfischern“, nach ihnen angeln dürfen. Durch eine solche Regelung bliebe das Arten­sterben der Dorsche unbemerkt. Es wäre nicht mehr sichtbar. Umdenken ist gar nicht erforderlich.

Mit diesem Ausblick möchte ich Ihnen dafür danken, dass ich durch Ihre Anregung ein wenig über die Verwendung von Worten, Begriffen, Bedeutungen und Sprache in Wissenschaft, Politik und Medien lernen konnte. Für mich haben sich Fragen ergeben. Viele. Diesen werde ich gelegentlich nachgehen.

Na klar, in meiner Freizeit!

Nun beginnt Ihre Arbeit.

Mit dieser Ansicht von meinen Briefkasten sende Ihnen ganz herzliche Grüße

Politik zieht Uferanglern die Watschuhe aus: Entnahmeverbot für Dorsche, die gar nicht mehr da sind
Politik zieht Uferanglern die Watschuhe aus: Entnahmeverbot für Dorsche, die gar nicht mehr da sind

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